Zuletzt geändert: Mo, 22.11.2004

«11C» 6. Hausaufgabe «PDF», «POD»



Inhaltsverzeichnis:

0.0.1 6. Hausaufgabe

0.0.1.1 Übungsaufsatz

In der hier behandelten Szene I, 3 findet ein Gespräch zwischen Nathan und seinem Derwisch Al-Hafi statt, in dem Al-Hafi erfolgslos versucht, Nathan zu überreden, Saladin Geld zu leihen (I, 3, 427f: "So zieht Ihr Eure Schleusen auf: schießt vor, und nehmt an Zinsen, was Euch nur gefällt.").

Lessing führt in dieser Szene Al-Hafi ein, der nur noch an zwei anderen Stellen im Drama auftritt. Nathan hingegen ist auch in den meisten anderen Auftritten zu finden.

Die Szene spielt noch vor größeren Erkenntnissen oder Unterhaltungen, die das Stück maßgeblich beeinflussen, auch trägt sie kaum zur weiteren Handlung des Dramas bei, ist also vergleichsweise unbedeutend, auch trägt sie kaum zur weiteren Handlung des Dramas bei, ist also vergleichsweise unbedeutend.

In dem Gespräch kommt Nathan verhältnismäßig wenig zum Zuge, es redet vor allem Al-Hafi. Auffallend ist die Benutzung zahlreicher Ellipsen durch Nathan, womit er seinen Meinungen Ausdruck verleiht und so sehr eindringlich ist (I, 3, 391: "Tortz dem, was du geworden!", 402: "Du? -- bei ihm?", 421f: "O nicht doch, Derwisch! Nicht doch!", 429: "Auch Zins vom Zins der Zinsen?", 433f: "Wahrlich? Wie denn so? wieso denn?", 452: "Die ähnlich g'nug!", 453: "Dein höchstes Gut!", 458: "Das nun wohl nicht.", 461: "Der war?", 479f: "Gemach, mein Derwisch, gemach!", 490: "Genug! hör auf!").

Al-Hafi benutzt rhetorische Fragen, um seine Passagen spannend zu machen und um die Kommunikation zwischen ihnen beiden zu erleichtern (I, 3, 391f: "Könnt ich nicht ein Kerl im Staat geworden sein, das Freundschaft euch ungelegen wäre?", 422f: "Erriet ich's nicht? Dass Ihr doch immer so gut als klug, so klug als weise seid?", 454f: "Damit ich selbst nicht länger bettel dürfte? Den reichen Mann mit Bettlern spielen könnte? Vermögen wär im Hui den reichsten Bettler in einen armen Reichen zu verwandeln?").

Das Drama endet mit einem Happy-End, "alle sind glücklich" (V, 8, letzte Regieanweisung: "Unter stummer Wiederholung allerseitiger Umarmungen fällt der Vorhang."). Lessing erreicht dies, in dem sich die ungewissen Verwandschaftsverhältnisse zwischen Nathan, Recha, dem Tempelherrn und Saladin zum Schluss aufklären (siehe V, 8, 3763ff). Al-Hafi stellt diesen Schluss dadurch in Frage, indem er als einzige wichtige Person den Ort des Stückes, Jerusalem, verlässt (II, 9, 1491ff: "Am Ganges, am Ganges gibt's Menschen. Hier seid Ihr der Einzige, der noch so würdig wäre, dass er am Ganges lebte. -- Wollt Ihr mit?"). Dabei wird ebenfalls klar, dass er seinem langjährigen Freund Nathan die Freundschaft kündigt (II, 9, 1514ff: "Wer überlegt, der sucht Bewegungsgründe, nicht zu dürfen. Wer sich Knall und Fall, ihm selbst zu leben, nicht entschließen kann, der lebet andrer Sklav' auf immer. -- Wie Ihr wollt! -- Lebt wohl! wie's Euch wohl dünkt. -- Mein Weg liegt dort; und Eurer da.").

Zu aus Al-Hafis Sicht einzigem Ausweg, dem Verlassen Jerusalems und Zurücklassen seiner Freunde, kommt er nach Analyse des Verhaltens von Nathan und Saladin. Sein langjähriger Freund Nathan, den Al-Hafi gut zu kennen glaubt, dachte über Saladin anders als er selbst. Nach reiflicher Überlegung kommt er zum Schluss, dass seine Versuche, ihm vom Gegenteil zu überzeugen, falsch waren und dass Nathans ursprüngliche Einschätzung Saladins korrekt war (II, 9, 1480ff: "Ach was? Ich sag Euch das nur so, damit Ihr sehen könnt, was für ein Kopf er ist. Kurz, ich, halt's mit ihm nicht länger aus. Da lauf ich nun bei allen schmutz'gen Mohren herum, und frage, wer ihm borgen will. Ich, der ich nie für mich gebettelt habe, soll nun für andre borgen. Borgen ist viel besser nicht als betteln: so wie leihen, auf Wucher leihen, nicht viel besser ist, als stehlen. Unter meinen Ghebern, an dem Ganges, brauch ich beides nicht, und brauche das Werkzeug beider nicht zu sein. Am Ganges, am Ganges nur gibt's Menschen."). Er sieht die Menschen Jerusalems allesamt als unwürdig, und auch er selbst war gezwungen, Dinge, die er für gewöhnlich nie getan hätte, wie zum Beispiel das Betteln, zu tun. Al-Hafi hat dies erkannt und möchte sich nun wieder "rein waschen" und wieder unter "richtigen" Menschen sein. Diese Möglichkeit sieht er nur im Verlassen Jerusalems und Gehen zum Ganges.